Würdevoll leben durch augenoptische Hilfe

Talente entfalten, am Leben teilhaben, einen Beruf erlernen – das ist Augustine und Kenneth dank Brille, Leselupe und Teleskop möglich. Wie unzählige andere Kinder und Jugendliche wären sie ohne solche Sehhilfen praktisch blind. Das CBM-Programm in Kenia fördert Kinder mit eingeschränktem Sehvermögen umfassend.

Geschickt krümmt Augustine Drähte aus Alteisen zu Spielautos. Als Räder montiert er Flaschenkronen, Sitze formt er aus altem Styropor und Plastik. Der 15-Jährige möchte einmal Mechaniker werden und erklärt zufrieden: «In der Schule geht es mir gut, die Brille und das Teleskop bringen mir viel.»

Die Farben wahrnehmenden Sinneszellen auf Augustines Netzhaut sind seit Geburt nicht funktionstüchtig. Deshalb kann er keine Farben, sondern nur Hell-Dunkel-Kontraste unterscheiden, und das Tageslicht blendet ihn stark. Unebene Wege muss er meiden und in der Schule zuvorderst sitzen. Den Bescheid über die Sehbehinderung erhielt seine Mutter an der CBM-geförderten Augenklinik Kikuyu, wohin sie mit ihrem damals zweijährigen Augustine ging. Zuvor hatte sie über ein Jahr lang ein geeignetes Spital gesucht. Die Vernetzung der Spitäler war damals noch schlecht, weshalb sie niemand an die Klinik in Kikuyu weiterverwiesen hatte.

«Diese Diagnose war schlimm», erinnert sich Jane Njeri, «aber ich bat Gott, er möge mir helfen, sie zu akzeptieren.» Augustine erhielt eine Sonnenbrille mit starkem Ultraviolett-Filter. Trotzdem blieb seine Sehkraft beeinträchtigt. «Als kleiner Junge fragte er mich, wieso ich alles gut sehe, und er nicht», erzählt Jane Njeri mit Tränen in den Augen. «Ich fühlte mich richtig schlecht.

Heute absolviert Augustine die sechste Klasse und kann dem Unterricht folgen. «Niemand verspottet mich wegen meiner Sehbehinderung», berichtet Augustine und ergänzt: «Nur in den naturwissenschaftlichen Fächern ist es mit meiner totalen Farbblindheit etwas schwierig.»

Sehr verstanden und angenommen fühlt er sich von Elizabeth Boke, eine seiner Lehrerinnen. Vor fünf Jahren verlor sie selbst das Augenlicht aufgrund eines Hirntumors. Noch heute wird sie begleitet von Agnes Ireri, die auch Augustines Sehtherapeutin ist. 

«Ich war niedergeschlagen», blickt die Lehrerin zurück. «Agnes aber richtete mich auf: Da sei nach wie vor Hoffnung, das Leben gehe auch für mich weiter!» Die Schule allerdings hätte an der Zugänglichkeit einiges zu verbessern, weiss Elizabeth Boke: Man stösst auf unebene Böden, Stufen, Rinnen, Randsteine und sogar Löcher im Klassenzimmerboden. «Dafür sind alle verständnisvoll. Wenn ich durchs Gebäude gehe, öffnen mir die Kinder von sich aus die Türen.»

Daheim bereitet Augustines Mutter ein Maisgericht zu, unter dem Tisch auf dem Naturboden picken Hühner. Jane Njeri blickt in die Zukunft: «Ich bin hoffnungsvoll, dass Augustine die Schule schafft, einen guten Beruf findet und für sich sorgen kann.»

Einst Letzter, heute Erster

Die obligatorische Schule längst hinter sich hat Kenneth. Der 19-jährige Sohn von Kleinbauern besucht bereits das zweite Jahr die Universität. «Am deutlichsten bemerkte ich meine Sehbehinderung», blickt er zurück, «als ich als kleiner Junge beim Fussballspielen den Ball nicht sah. In der Schule konnte ich selbst in der vordersten Reihe nichts an der Wandtafel erkennen, von allen war ich der schlechteste Schüler. Ich weinte untröstlich.»

Auf Anraten des Lehrers brachten ihn die Eltern zur Augenklinik Kikuyu. Angeborener beidseitiger Grüner Star, lautete die Diagnose; das rechte Auge blind, im linken 50 Prozent Sehkraft bei starker Kurzsichtigkeit. Kenneth wurde mit Teleskop, Korrekturbrille und Leselupe ausgerüstet. «Sofort verbesserten sich meine Schulleistungen, ich wurde sogar der beste Schüler unseres Distrikts. Später erhielt ich ein Stipendium für eine der besten Sekundarschulen Nairobis.» Heute studiert Kenneth an der Moi-University in Eldoret das Lehramt mit Englisch und Literatur als Hauptfächern. Sein liebstes Studienfach wären allerdings die Rechtswissenschaften gewesen. Bei der Qualifikationsprüfung erhielt er die Aufgaben jedoch versehentlich in Normal- statt in Grossschrift: «Ich mühte mich ab, die Fragen zu lesen. Am Ende hatte ich nur 70 Prozent der Aufgaben gelöst, und nicht die benötigte Anzahl Punkte erreicht.»

Sich deswegen entmutigen zu lassen, davon ist Kenneth weit entfernt: «Trotz Schwierigkeiten kannst du Erfolg haben. Ich betrachte mich als Kämpfer. Behinderung bedeutet nicht Unfähigkeit.» Mit seiner Erfahrung macht er Eltern von Kindern mit Behinderungen Mut: «Es gibt noch immer Chancen für euer Kind. Ihr müsst es nicht verstecken.»

Was ihn selbst betrifft, dankt er seinen Eltern sowie ausdrücklich der CBM und der Klinik Kikuyu mit ihrem Low-Vision-Dienst: «Ihr habt mir die Chance für den schulischen Erfolg gegeben und mir massgeblich geholfen, meine Ziele zu erreichen. Vielen Dank!»

Auch Kenneths Vater ist dankbar: «Unsere Familie hätte die Spezialbrillen und Hilfsmittel nie bezahlen können. Wären die CBM und Kikuyu nicht gewesen, könnte mein Sohn heute nichts sehen.»

Wie Sie helfen können

Mit einer Augenlicht-Patenschaft finanzieren Sie regelmässig medizinische Behandlungen und Sehhilfen in den ärmsten Gebieten der Welt. Damit ermöglichen Sie ein selbständiges Leben und neue Chancen für die Zukunft.

Hilfe für Kinder mit starker Sehbehinderung

Gemeinsam führen die Kliniken Sabatia bei Kisumu, Kwale bei Mombasa und Kikuyu bei Nairobi das landesweite CBM-geförderte Low-Vision-Programm. Es ist in Kenia das erste und einzige optisch-therapeutische Projekt für Mädchen und Jungen mit Sehbehinderungen. In Land leben rund 40'000 Kinder mit Sehbehinderungen. Mit Hilfe der CBM Schweiz verbessert das Programm das Sehvermögen von jährlich gut 1’500 Klein- und Schulkindern, und rund 500 Kinder werden in die Regelschule integriert. Der Anteil der Mädchen beträgt 40 bis 45 Prozent.  

Nach der augenmedizinischen Abklärung werden die Mädchen und Jungen mit Brille, Lupe oder Teleskop ausgerüstet. Sehtherapeut(inn)en der Klinik trainieren die Kinder, die Sehhilfen optimal einzusetzen. Sie besuchen jedes Kind regelmässig zu Hause und in der Schule. Den Lehrpersonen und den Eltern zeigen sie, wie sie das Kind am besten unterstützen können. Die Fortbildung von Lehrkräften und Ausbildung zusätzlicher Sehtherapeut(inn)en trägt die Hilfe hinaus in abgelegene Gegenden. Die Kliniken arbeiten zudem eng mit den Behörden, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen zusammen.

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