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Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Die Schweiz ist nicht auf Kurs

Der zivilgesellschaftliche Bericht der Plattform Agenda 2030 setzt sich mit Fortschritten und Herausforderungen in der Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung auseinander und richtet deutliche Forderungen an die Schweiz. Denn eins ist klar: Handelt die Schweiz jetzt nicht entschlossen, hat dies gravierende Konsequenzen für alle.

Heute wurde der der zivilgesellschaftliche Bericht der Plattform Agenda 2030 zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) veröffentlicht. Wie bereits vor vier Jahren hat die Plattform die erneute Überprüfung der Schweiz am High Level Political Forum (HLPF) in New York zum Anlass genommen, die Umsetzung der Agenda 2030 durch die Schweiz unter die Lupe zu nehmen und ihre Perspektive dem offiziellen Länderbericht 2022 der Schweiz gegenüberzustellen.

Die Plattform Agenda 2030 sieht die Schweiz nicht auf Kurs für eine nachhaltige Welt. Sie fordert zusammen mit der CBM Schweiz vom Bundesrat mehr Leadership für die notwendige Transformation, um Armut zu halbieren, Klima und Menschenrechte zu schützen, sowie den Finanzplatz in die Pflicht zu nehmen.

Viele Punkte, die die Plattform Agenda 2030 und die CBM Schweiz in Bezug auf Menschen mit Behinderungen bereits vor vier Jahren als kritisch betrachteten, treffen auch heute noch zu. Die Empfehlungen von damals wurden nur unzureichend umgesetzt:

  • Noch immer wird die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ungenügend umgesetzt und Partizipation gar nicht oder zu wenig ermöglicht. Es fehlen beispielsweise noch immer verbindliche Richtlinien in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, die sicherstellen, dass alle Programme für Menschen mit Behinderungen inklusiv sind.
  • Noch immer erhebt die DEZA kaum Daten zu Menschen mit Behinderungen, da die Desaggregierung nach Behinderung nicht obligatorisch ist.

Für das Monitoring werden nur gerade zwei Indikatoren angewendet und diese auch nur bei Projekten in der Schweiz. Das Ergebnis der beiden Indikatoren zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen fällt ernüchternd aus: Weder bei der Inklusion in den Arbeitsmarkt (SDG 8) noch bei der Zugänglichkeit des öffentlichen Verkehrs (SDG 11) haben laut Länderbericht in den letzten Jahren signifikante Entwicklungen stattgefunden.

Nach wie vor wird im Länderbericht nicht darauf eingegangen, inwiefern die Schweiz auf internationaler Ebene zur Erreichung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen beiträgt. Dies ist insbesondere deshalb schade, weil der Aufbau des Länderberichts vielversprechend ist. Nebst dem nationalen Kontext wird auch stets die internationale Ebene in den Blick genommen. Dass Menschen mit Behinderungen auf internationaler Ebene im Bericht dennoch nicht auf dem Radar sind, ist ernüchternd.

Das zeigt, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen noch immer keine Priorität in der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz sind. Gerade in den Bereichen Armut (SDG 1) und Gesundheit (SDG 3) wäre es besonders wichtig, sie zu berücksichtigen. Denn Armut und Behinderung bedingen sich gegenseitig – wobei die Gesundheit einen zentralen Faktor darstellt: Wenn aus finanziellen Gründen auf notwendige Arztbesuche verzichtet wird, kann dies zu gesundheitlichen Folgeproblemen oder Behinderungen führen, was wiederum ein Armutsrisiko darstellt. Es erstaunt daher kaum, dass 80 Prozent aller Menschen mit Behinderungen im globalen Süden leben. Ohne den Einbezug von Menschen mit Behinderungen ist keine Armutsreduktion möglich. Genau dies haben die Millennium-Entwicklungsziele aufgezeigt.

Aus diesem Grund wurden die Rechte von Menschen mit Behinderungen explizit in der Agenda 2030 verankert. Diese gilt es nun umzusetzen. Der Schattenbericht hält fest, dass die Strategie der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz zwar auf der Agenda 2030 basiert, es jedoch an einem multidimensionalen Verständnis fehlt, das Mehrfachdiskriminierungen thematisiert – zum Beispiel von Frauen mit Behinderungen –, auf Inklusion baut und im Sinne des Leitprinzips der Agenda 2030 niemanden zurücklässt. Auch unsere im März veröffentlichte Studie «Women with disabilities in Nepal» zeigt, dass Frauen mit Behinderungen in Nepal von diversen Diskriminierungsfaktoren betroffen sind. Es braucht von der Schweiz nun griffige Massnahmen um Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen und insbesondere Frauen zu beheben.

Die Empfehlungen, die die CBM und die Plattform Agenda 2030 bereits vor vier Jahren gegeben haben, gelten nach wie vor und sind dringender umzusetzen denn je. Der UNO-Behindertenrechtsausschuss hält in seinen abschliessenden Bemerkungen an die Schweiz von März 2022 fest, wie wichtig es in der internationalen Zusammenarbeit ist, Richtlinien zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu verabschieden. Gleichzeitig wird gefordert, bedeutungsvolle Partizipationsmöglichkeiten zu gewährleisten, insbesondere für Frauen mit Behinderungen, sowie Daten zu erheben und diese sinnvoll aufzuschlüsseln.

Ohne Budget sind keine Fortschritte möglich. Dennoch stagnieren die Entwicklungsgelder der Schweiz auf tiefem Niveau. Die Schweiz täte daher gut daran, ihre Entwicklungsgelder mindestens auf die in der Agenda 2030 vereinbarten 0.7% des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen.

Gerade besteht mit der Ukraine-Krise eine zusätzliche, immense Herausforderung. Millionen Menschen im Globalen Süden sind durch den Krieg von Ernährungsunsicherheit bedroht. Die Preise für Grundnahrungsmittel sind stark angestiegen. Hungersnöte werden weiter verschärft durch den stark erschwerten Export von Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Mais oder Sonnenblumenöl aus der Ukraine, aber auch wegen des Weizenexportstopps, den Indien verkündet hat, um die nationale Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Diese Herausforderungen und Gefahren treffen den Globalen Süden und Menschen mit Behinderungen überproportional.

Vor dem Hintergrund der bestehenden globalen Krisen ist es umso wichtiger, dass die Schweiz nun entschlossen handelt, damit Inklusion für Menschen mit Behinderungen Realität wird. Denn die nachhaltigen Entwicklungsziele können nur erreicht werden, wenn alle Menschen berücksichtigt und niemand zurückgelassen wird.

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