Mitbestimmung stärkt Hilfe

Seit 15 Jahren engagiert sich die CBM auch für Menschen mit psychosozialen Behinderungen in Armutsgebieten. Warum, wie sie vorgeht und was sie bislang erreicht hat, schildert Dr. Julian Eaton im Interview. Der Psychiater leitet die globale CBM-Arbeit für psychische Gesundheit.

Warum investiert die CBM in psychische Gesundheit?

In den Armutsgebieten kämpfen viele Menschen unablässig mit Stress, Armut, fehlender Sicherheit, Ausgrenzung und Behinderung, was seelisch schwer belastet. Gleichzeitig leiden Menschen an Erkrankungen wie Depression, Ängste oder Schizophrenie. In Afrika südlich der Sahara erhalten neun von zehn dieser Personen keine Behandlung! Die CBM verbessert daher Zugang und Qualität der psychiatrischen Versorgung und verringert soziale Ausgrenzung.

Wie lange engagiert sich die CBM bereits für psychische Gesundheit?

Nach der Tsunami-Katastrophe vom Dezember 2004 entwickelte die CBM in der indonesischen Provinz Aceh mit lokalen Partnern einen psychiatrischen Dienst, der heute noch funktioniert. Dieses Beispiel von «Building Back Better», d. h. von Wiederaufbau in besserer Qualität, erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO als nachahmenswert. Seitdem hat die CBM weltweit mehr als 40 Projekte umgesetzt, vom Zugang zu psychiatrischer Versorgung, über das Fördern des Lebenserwerbs bis hin zu Bildung und politischer Mitbestimmung für Menschen mit psychosozialen Behinderungen.

Was sind Ihre Aufgaben?

Unsere Fachkräfte darin zu unterstützen, eine hohe Qualität sicherzustellen. Gleichzeitig helfe ich mit, die psychosoziale Arbeit der CBM auszurichten und zu lenken. An der Seite der WHO und internationaler Akteure trage ich ferner dazu bei, die psychische Gesundheitsversorgung weltweit zu verbessern. Auch untersuche ich, wie psychosoziale Dienste möglichst wirksam geleistet werden können.

In welcher Lage ist eine Person mit psychosozialer Behinderung in Armutsgebieten?

Meist erhält sie keine fachgerechte Behandlung, zudem wird sie stigmatisiert und benachteiligt. Sie muss die Krankheitssymptome erleiden und wird gleichzeitig von ihrem Umfeld abgelehnt. Eine psychische Erkrankung gilt oft als geistige Fehlhaltung oder göttliche Strafe. Den Betroffenen wird damit die Schuld aufgebürdet. Manche werden von Angehörigen – aus Angst und Überforderung – sogar gefesselt oder anders missbräuchlich behandelt.

Wie hilft die CBM?

Wir finden einheimische Partner, die gezielt lokale Gemeinschaften unterstützen. Denn um Menschen mit psychischen Erkrankungen wirksam zu helfen, ist die Kenntnis der örtlichen Kultur wesentlich. Gemeinsam mit dem Partner erarbeiten wir die Projekte, führen sie durch und werten sie aus. So stellt die CBM sicher, dass Projekt-Mitarbeitende kulturell respektvoll vorgehen, nach besten Erkenntnissen arbeiten und hohe Standards erfüllen. Zudem leisten die CBM-Partner Aufklärungsarbeit, damit Menschen mit psychischen Erkrankungen akzeptiert und würdig behandelt werden.

Was hat die CBM bisher erreicht?

Sie hat hunderttausenden Menschen geholfen, die sonst Vernachlässigung und Missbrauch ausgesetzt wären. Dank der CBM haben heute beispielsweise in Bolivien Kinder mit Lernschwierigkeiten viel bessere Zukunftschancen und in Burkina Faso haben die Menschen erstmals Zugang zu guter psychiatrischer Versorgung. In weiteren Ländern wie Indien, Malawi, Kenia, Nigeria, Ghana und Sierra Leone hat sich in Dorfgemeinschaften die Stigmatisierung verringert. Auch sind wir Menschen beigestanden, die durch Naturkatastrophen oder Epidemien wie Corona oder Ebola psychisch erkrankt sind.

Was hat sich global verändert?

Als ich vor 15 Jahren bei der CBM begann, stand die psychische Gesundheit auf keiner internationalen Agenda. Inzwischen hat die Entwicklungszusammenarbeit deren Wichtigkeit erkannt, und einzelne Staaten investieren zunehmend in sie. Gleichzeitig hat die CBM massgeblich geholfen, Selbstvertretungsorganisationen aufzubauen, und deren Stimme international gestärkt. Das hat zur Erkenntnis geführt, dass Menschen mit psychosozialen Behinderungen bei ihrer jeweiligen Behandlung und Betreuung mitbestimmen sollen. Bislang wurde ihnen oft keine Stimme zugestanden.

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