Vom Leben ausgeschlossen

Von den Lehrern getadelt, von den Mitschülern und Nachbarskindern gemieden, in der Schule überfordert. Der Graue Star hat den 6-jährigen Krishna lange arg zurückgebunden. Eine Wende schien unmöglich.

 

Die Kinder in der Nachbarschaft spielen fröhlich mit Murmeln und Münzen und rufen laut um sich. Doch Krishna lassen sie nicht gerne mitspielen. Seit er eineinhalb Jahre alt ist, sieht der heute 6-Jährige aus Indien immer weniger. Im einen Auge hat er einen weit fortgeschrittenen Grauen Star, auf dem anderen eine sehr starke Sehschwäche. «Niemand möchte mit mir spielen, weil ich kaum etwas sehen kann», erzählt er schüchtern und schaut auf den Boden. Auch in der Schule fühlt er sich ausgeschlossen. «Meine Klassenkameraden machen sich über mich lustig. Ich mag sie nicht.»

Erloschene Freude

Jeden Tag, wenn die Sonne durch das Dach der baufälligen Hütte zu scheinen beginnt, stellt sich Krishna auf einen Tag voller Herausforderungen ein. «Bereits seit langem lacht Krishna kaum mehr und ist in sich gekehrt», berichtet sein Vater Arjun. Während sich seine Brüder ohne ihn zur Schule aufmachen, ist Krishna auf seinen Vater angewiesen. Tag für Tag fährt er ihn mit dem Fahrrad zur Schule. Dabei späht Krishna blinzelnd auf die Landschaft entlang der Strasse, die sein Dorf mit der nächst gelegenen Stadt verbindet. Doch sehen kann er kaum etwas.

Sein Vater arbeitet seit kurzem als Tagelöhner in derselben Schule. Früher war er als Wanderarbeiter in anderen Bundesstaaten unterwegs. Rund 75 Franken verdiente er damals monatlich. Alle paar Monate kehrte er heim und gab sein hart verdientes Geld seiner Frau Gudiya. Seine Arbeitsstelle an der Schule von Krishna hat er trotz des tieferen Lohnes von 30 Franken im Monat angenommen. «Jemand muss Krishna in die Schule begleiten», seufzt Arjun. Um etwas dazu zu verdienen, arbeitet er auch sonntags in Gelegenheitsjobs. Auch Krishnas Mutter trägt zum Familieneinkommen bei. «Früher waren die Kinder klein und ich konnte unsere Hütte nicht verlassen. Jetzt arbeite ich mit anderen Frauen aus dem Dorf auf Feldern.»

Krishnas Vater erinnert sich an den Schulbeginn seines Sohnes: «Vor zwei Jahren haben wir Krishna in der Dorfschule eingeschrieben. Am Anfang war er sehr glücklich in der Schule. Doch die Lehrer schimpften oft mit ihm, weil er aufgrund seiner Sehschwäche nur mit viel Mühe den Schulweg hinter sich brachte und immer zu spät kam. Und an die Wandtafel sah er immer schlechter. Von seinen Klassenkameraden wird er häufig ausgelacht», erzählt sein Vater, sichtlich traurig, «daher möchte Krishna heute nicht mehr zur Schule gehen.»

Wende durch Reihenuntersuchung

Begonnen hatte Krishnas Augenleiden, als er etwa eineinhalb Jahre alt war. Plötzlich war ein kleiner weisser Fleck in seinem rechten Auge zu sehen. Der Fleck wurde immer grösser, die Sehkraft von Krishna immer schlechter. Die Eltern merkten, dass etwas nicht stimmt und gingen zu einem Arzt. «Der Arzt sagte, das rechte Auge von Krishna müsse unbedingt operiert werden. Doch die Kosten für die Operation waren für uns viel zu hoch. Wir hatten kaum Ersparnisse», sagt Arjun, fast entschuldigend. Gudiya fügt hinzu: «Mein grösster Traum ist es, dass Krishna wie andere Kinder spielen und zur Schule gehen kann, damit er etwas lernt und es einmal besser haben soll als wir. Ich weine oft, wenn ich über die Zukunft von Krishna nachdenke».

Doch das Glück kehrte zur Familie zurück: Eines Tages besuchte ein mobiles Team der CBM-geförderten Augenklinik die Schule von Krishna und führte eine Reihenuntersuchung durch. Die Augenklinik organisiert jeden Monat drei bis vier solcher Einsätze und untersucht so circa 1'000 Kinder auf Augenkrankheiten. Denn bei Kindern mit Grauem Star eilt die Zeit: Ohne frühzeitige Behandlung verliert das Gehirn nach und nach die Fähigkeit, das Sehen zu lernen und das Kind erblindet unwiderruflich. Kinder, die den Grauen Star haben, überweist das mobile Team an die Klinik, wo sie dann kostenlos operiert werden.

Ein neues Leben bricht an

Die Reihenuntersuchung bereitet den Schulkameraden von Krishna sichtlich Spass. Er jedoch hat Angst vor der bevorstehenden Untersuchung, Tränen rinnen ihm über die Wangen. Sofort werden die geübten Fachleute aufmerksam auf ihn, weil er immer wieder blinzelt und im Gegensatz zu den anderen Kindern barfuss ist. Zaghaft flüstert ihnen Krishna zu, dass es so schwierig sei für ihn, seine Augen im Sonnenlicht offen zu halten. Die Untersuchung bei Krishna zeigt neben dem Grauen Star im rechten Auge eine ernste Entzündung im anderen Auge, was die eigentlich dringende Graue-Star-Operation im Moment verunmöglicht. Gegen die Entzündung erhält die Familie von Krishna kostenlos Medikamente.

Nachdem die Entzündung in Krishnas linkem Auge bereits nach einer Woche abgeklungen ist, reisen seine Eltern mit ihm per Bus und Rikscha in die 80 Kilometer entfernte CBM-geförderte Augenklinik. In der Klinik folgt die Bestätigung: Fortgeschrittener Grauer Star im einen, sehr grosse Sehschwäche beim anderen Auge. Es folgen weitere Untersuchungen. Am Abend sind Krishna und seine Eltern völlig erschöpft, aber glücklich: Morgen endlich folgt die lange ersehnte Operation!

Krishna ist der zweite von acht Patienten, die gleichentags operiert werden. Seine Mutter ist nervös: «Hoffentlich geht alles gut! Ich werde hier auf ihn warten und beten.» Bereits nach 20 Minuten ist die trübe Augenlinse durch eine neue, künstliche ersetzt. Vater Arjun ist überglücklich: «Endlich hat Krishna operiert werden können. Sobald morgen der Augenverband weg ist, beginnt für unseren Sohn ein neues Leben!»

Endlich teilhaben können

Als die Krankenschwester den Verband am nächsten Tag frühmorgens entfernen möchte, ist Krishna so aufgeregt, dass sie ihm mehrmals mit sanfter Stimme sagt, er müsse jetzt stillhalten. Danach der grosse Moment: Sieht Krishna die Finger der Krankenschwester? Ja! Er nennt jedes Mal die richtige Anzahl der Finger. Die Eltern kommen derweil aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Krishna erhält eine Sonnenbrille, die sein frisch operiertes Auge anfänglich vor dem Sonnenlicht schützt. Krishna strahlt über sein ganzes Gesicht. «So glücklich war unser Sohn schon lange nicht mehr», erzählen seine Eltern, sichtlich erlöst. «In wenigen Wochen», erklärt der Augenchirurg, «erhält Krishna eine auf ihn angepasste Brille, dann kann er problemlos wieder die Schule besuchen.»

Als ein Mitarbeiter der Klinik einige Tage später Krishna besucht, ist er überrascht: Krishna spielt vollkommen zufrieden und glücklich mit Kindern aus der Nachbarschaft. Und er hat ein Geschenk mitgebracht: Eine Brille, die Krishna tragen kann, bis er eine auf seine Sehstärke angepasste Brille erhält. Krishna setzt die Brille auf, und rennt mit seinen Freundinnen und Freunden gleich einigen Ziegen nach. Die Eltern sind überglücklich: «Die Operation hat das Leben von Krishna bereits in den ersten Tagen so sehr verändert. Vielen Dank für Ihre Hilfe. Wir sind so glücklich, dass unser Sohn wieder klar sehen kann!»

Wie Sie helfen können

Bringen Sie in Armut lebenden Menschen das Augenlicht zurück. Bei Kindern wird der Eingriff am Grauen Star unter Vollnarkose durchgeführt. Mit 180 Franken schenken Sie einem Kind die Sehkraft. Mit bloss 50 Franken ermöglichen Sie einer erwachsenen Person eine Graue-Star-Operation.

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