Ein Augenblick ohne Augenlicht

16. April 2021

Freier Schweizer - Die Schüler des Schulhauses Seematt 2 machten diese Woche eine ganz spezielle Erfahrung. In einem Erlebnismobil ergründeten sie was es bedeutet, blind zu sein.

«Was isch daaas?» hallte es am Montagnachmittag dutzende Male durch das Erlebnismobil der Christoffel Blindenmission (CBM). Dieses stand bis gestern auf dem Pausenplatz des Seematt 2. Dave Gooljar, Verantwortlicher für das Erlebnismobil der CBM, war damit vorgefahren, um die Schüler während vier Tagen für die Lage von blinden Menschen in der Schweiz und in Armutsgebieten zu sensibilisieren. «Etwas zu sehen, ist nicht für jeden Menschen selbstverständlich», so Gooljar.

Wie wertvoll das Augenlicht ist, erlebte eine sechste Klasse hautnah, als sie einen Augenblick ohne auskommen musste. An verschiedenen Posten mussten sie mittels Tasten, Riechen und Hören sehen. «Das ist wirklich mega schwierig», sagte Julian, der mit verbundenen Augen beim ABC-Puzzle versuchte die Buchstaben in die richtige Form zu setzen. «In zwei Minuten traf er nur zwei Buchstaben», stellte sein Freund Rroni fest. Am Tisch nebenan schüttelten Selin und Tarik mit Kügelchen gefüllte Dosen: «Wir müssen die passenden Paare finden, wie beim richtigen Memory, einfach anders», erklärte Tarik das Spiel. Wahrscheinlich würde ein Blinder die Paare viel eher finden als die beiden selbst, schlussfolgerte er: «Weil eine blinde Person nichts sieht, hört sie sicher viel besser.»

Ein beängstigendes Gefühl

Während die eine Hälfte der Klasse im Eingang der Turnhalle die Sinne beim Spielen schärfte, musste sich die andere im Erlebnismobil ohne Sehkraft orientieren. Die Schüler gingen einzeln rein. «Jeder bekommt eine Milchglasbrille», erklärte Dave Gooljar die Vorgehensweise. Die Brille simuliert den Grauen Star im Endstadium. Wie bei einer richtigen Erkrankung, konnten die Sechstklässler nur noch Hell und Dunkel unterscheiden. So tasteten sie sich nacheinander langsam durch das Erlebnismobil. «Der Gang ist mit alltäglichen Hindernissen und Gegenständen bestückt, passt gut auf und tastet euch langsam voran», so Gooljar.

Einige ‹Uhhs›, ‹Ahhs› und erschrockene Schreie später kamen die ersten aus dem Erlebnismobil gelaufen. «Es ist richtig schwierig, alles zu ertasten», berichtete Selin. «Nicht zu wissen was rundherum ist, ist schon beängstigend.» Die Schülerin war ein paar Mal versucht, die Brille kurz abzunehmen, «dann erinnerte ich mich aber, dass das ein Blinder auch nicht einfach so kann. Es ist schon sehr traurig.»

Den ersten Durchgang absolvierten die Sechstklässler blind, beim zweiten nahmen sie die Brille ab. «In blindem Zustand stellt man sich den Gang ganz anders vor», erzählte Tim. «Ich dachte nicht, dass es Blinde so schwer haben.»

Erfolgreich sensibilisiert

Die ganze Aktion ist entsprechend ein grosser Erfolg. Alle Klassen des Schulhauses bekamen die Gelegenheit, einmal einem Blinden nachzuempfinden. Als Dave Gooljar anfragte, ahnte Schulleiter Daniel Rogenmoser, dass das Erlebnismobil gut ankommen würde. Einerseits, weil sie das Jahresmotto ‹mal andersch› hätten und damit den Kindern einmal einen ganz anderen Unterricht mit neuen Eindrücken zu einem Thema böten. «Andererseits haben wir eine Schülerin, welche mit einer Sehbehinderung bei uns den Unterricht besucht», erklärt Rogenmoser. «So hilft es hoffentlich allen auch zu verstehen, was sie täglich meistert und schafft Verständnis für Menschen mit einer Beeinträchtigung.»

Alle gäben gute Rückmeldungen. Vor allem das Erlebnismobil mache Eindruck und trotz aller Ernsthaftigkeit seien die Schüler laut Rogenmoser mit viel Interesse und Spass dabei. Selin resümierte den Tag und bestätigte damit, dass das Ziel, Schüler zu sensibilisieren, erreicht wurde: «Wir haben gelacht, als wir blind durch den Gang liefen. Eigentlich ist ein solches Schicksal aber nicht lustig.»

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